Joachim Schuch

Wie Smartphones die Entwicklung unserer Kinder formen

Im Zeitalter der Digitalisierung rückt die Frage nach dem Umgang mit „Smartphones für Kinder“ immer stärker in den Fokus von Erziehungsexperten und Eltern gleichermaßen. Joachim Schuch, Gesamtleiter des SOS-Kinderdorfes Worpswede und erfahrener Diplom-Pädagoge, teilt seine Einsichten zu diesem komplexen Thema. Durch seine langjährige Erfahrung in der Jugendhilfe und seine Rolle als Vater von drei Töchtern bietet Schuch eine einzigartige Perspektive auf die Herausforderungen und Chancen, die digitale Medien in der Erziehung mit sich bringen. Dieser Beitrag beleuchtet, wie Smartphones das Leben im SOS Kinderdorf verändert haben, und gibt Eltern wertvolle Ratschläge, wie sie die digitale Welt als sicheren und bereichernden Ort für ihre Kinder gestalten können.

1. Neue digitale Medien: „Fluch oder Segen? Wie hat das Smartphone das Leben im SOS Kinderdorf verändert?

Digitale Medien sind ein unverzichtbarer Bestandteil unserer modernen Welt und damit auch der Lebenswelt von Kindern, Jugendlichen und deren Familien, die in unseren Angeboten betreut werden. In vielen Bereichen hat sich das Leben und Arbeiten rasant verändert. Ständige Erreichbarkeit, die Flut von verfügbaren Informationen und die ungeahnten Kommunikationsmöglichkeiten auf zahllosen Kanälen der sozialen Medien, haben das Leben sehr beschleunigt und in vielfacher Weise auch sehr erleichtert. Gerade im ländlichen Raum ermöglichen sie soziale Teilhabe und eine Vielzahl von Hilfestellungen und Dienstleistungen immer und überall. Die digitale Welt verändert aber auch das Koordinatensystem an Werten und Orientierungen. Zusammenhänge werden unklarer, die Handlungsmöglichkeiten steigen, die Welt wird insgesamt unschärfer.

2. Ab wann sind Smartphones sinnvoll für Kinder und soll es bis zu einem bestimmten Alter verboten werden?

Verbote halte ich generell für keine gute Idee. Sicherlich gibt es Altersgrenzen ab denen es nicht sinnvoll ist Kindern ein eigenes Smartphone anzuvertrauen. Das kommt aber auch immer auf die persönliche Lebenssituation, Reife und Kompetenz der Kinder an. Schulische Übergänge spielen hier beispielsweise eine große Rolle, Telefon, Webrecherchen, Musik und Hörspiele, Fotokamera oder soziale Netzwerke nehmen hier an Bedeutung zu. Aber auch ab 8 oder 10 Jahren sollte die Nutzung nie unbegleitet erfolgen.

3. Wie wichtig ist die Privatsphäre der Kinder für das SOS Kinderdorf. Mit welchen Mitteln wird die Privatsphäre der Kinder geschützt?

Der Schutz der Kinder ist ein sehr wichtiger Bestandteil unserer Arbeit. In unseren Angeboten erfahren die Betreuten einen sicheren Ort an dem sie Bindung und Beziehung, Sorge und Pflege erleben. Das gilt insbesondere auch für alle Umwelteinflüsse wo wir altersangemessene Zugänge beispielsweise bei der Mediennutzung ermöglichen.

4. Was halten Sie von einem Medienführerschein für Kinder?

Medien sind in unserer digitalisierten Welt nicht mehr wegzudenken. Dazu gehören sowohl alte Kanäle wie Radio, Fernsehen oder Playstation. Sie umfassen aber auch die sozialen Netzwerke wie Facebook, Instagram oder Twitter. Es lauern viele Gefahren im Bereich des Kindeswohls, Missbrauchs, Überschuldung, sozialer Isolation und vieles mehr. Ich glaube es ist sinnvoll, dass Kinder und Erwachsene, Eltern und Pädagogen Angebote erhalten, indem sie beispielsweise gemeinsam zu sogenannten Medienscouts (Ausbildung der Landesmediensstellen) ausgebildet werden. Dieses gemeinsame Lernen und Verstehen scheint mir hier sehr wirkungsvoll zu sein und fördert natürlich auch den gemeinsamen Austausch darüber.

5. Sollen Kinder frei oder eingeschränkt digitale Medien nutzen dürfen?

Ich glaube weder das Aussperren der digitalen Welt noch das ungefilterte unkritische Benutzen der Medien ist ein guter Ratgeber für den Umgang damit. Eine durchaus kritische Haltung in Bezug auf Netzsicherheit, Datenschutz, Schutz der Privatsphäre und ein verantwortungsvolles Zeitmanagement, halte ich für die Grundlage auf der medienpädagogische Arbeit mit Kindern stattfinden sollte. Ansonsten ist es wichtig den Kindern den kreativen smarten Umgang damit, mit allen Chancen und Risiken zu vermitteln.

6. Wie beeinflussen Smartphones die Kommunikation der Kinder und Jugendlichen?

Wie bei vielen neuen Technologien bieten sich hier sowohl Chancen und Risiken. Der allgemeine Trend zur Verrohung von Sprache und Umgangsform setzt sich natürlich auch hier fort. Wut und Ausgrenzung können hier sehr schnell eine Macht entwickeln, die sehr zerstörerisch ist. Abkürzungen, Anglizismen und Sprachneuschöpfungen finde ich aber eher interessant und Teil eines subkulturellen Ausdrucks.
Ich habe auch das Gefühl, dass Jugendliche heute bei Umbrüchen wie Schulwechseln oder Umzügen den Kontakt zu ihren früheren Bezugspersonen besser halten, zumindest oberflächlich. Lustig sind natürlich die Bilder in Zügen oder Bahnen, wenn alle auf ihre Geräte starren. Das erlebe ich aber bei Erwachsenen noch krasser.

7. Müssen Kinder immer erreichbar sein oder sind internetfreie Zeiten wichtig?

Kinder sollten auf keinen Fall immer erreichbar sein. Abends und nachts sollte zu einer bestimmten Zeit `Teilhabe und Beteiligung´ in Chats und Gruppen ruhen. Bei Kindern halte ich hier ein Timemanagement, gesteuert durch Eltern oder Erziehungspersonen als unerlässlich.

8. Psychologen und Pädagogen behaupten, dass übermäßige Mediennutzung zu Konzentrations- und Schlafmangel führt. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Wenn wir täglich ca. 3 Stunden vor digitalen Endgeräten sitzen, Fernsehen und Videospielen nicht inbegriffen, ist es selbstverständlich, dass wir auch Ruhepausen brauchen. Die Informationsmengen und Reize, die ständig auf uns herein prasseln, müssen decodiert und verarbeitet werden. Dies gilt insbesondere für Kinder, deren Erfahrungshorizont noch sehr beschränkt ist und deren Entwicklung von Gehirn und Nervensystem noch im vollen Gange ist.

9. Kann die Kontrolle der Nutzung digitaler Medien rein über „Regeln und Kommunikation“ erfolgreich sein?

Selbstverantwortung und Freiwilligkeit sind immer wirkungsvoller als Regeln und Verbote. Ich glaube allerdings, dass neben den mit den Kindern erarbeiteten und verabschiedeten Regeln noch weitere Maßnahmen greifen müssen. Es ist unsere zentrale Aufgabe und Pflicht sowohl als Eltern als auch als institutionelle Jugendhilfe, das Netz als sicheren Ort für Kinder zu gewährleisten.

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