Aline Fink über Medienerziehung bei Kindern: Mit Vertrauen, Klarheit und Herz durch die digitale Welt
Was brauchen Kinder wirklich, um sich sicher und selbstbewusst in der digitalen Welt zu bewegen? Diese Frage beschäftigt viele Eltern – und ist zugleich das Herzensthema von Aline Fink. Als erfahrene Pädagogin und Gründerin von HELDEN STARKE KINDER setzt sie auf einen Ansatz, der nicht auf Kontrolle, sondern auf Beziehung und Reflexion basiert. Im Interview mit Kidgonet spricht sie über Alltagssituationen, mediale Überforderung und Wege zu mehr Medienerziehung für Kinder
Was ist dein wichtigster Tipp, um Kinder am Handy für einen bewussten und sicheren Umgang zu sensibilisieren?
Der wichtigste Schritt ist: ins Gespräch kommen – ehrlich, offen, auf Augenhöhe. Kinder brauchen keine ständigen Appelle, sondern echte Auseinandersetzung. Ich erlebe in meinen Workshops immer wieder, wie schwer es ihnen fällt, das Handy einfach wegzulegen. Es ist bunt, bewegt, interaktiv. Da kann man sich kaum entziehen.
Wir sollten gemeinsam mit den Kindern überlegen: Wie fühle ich mich eigentlich nach einer Stunde am Handy? Müde? Reizbar? Unruhig? So entsteht Selbstreflexion statt Kontrolle. Ein kindgerechter Umgang beginnt genau da: in der Verbindung von Emotionen, Erfahrungen und Austausch.
Und ein kleiner Perspektivwechsel kann auch uns Erwachsenen helfen: Versetzen wir uns mal in unsere eigene Kindheit. Was hätten wir uns damals gewünscht? Verständnis, Vertrauen, echte Begleitung? Unsere Kinder sind in eine digitale Welt hineingeboren, die es bei uns so nicht gab. Sie brauchen keine ständigen Warnungen, sondern Menschen, die ihnen Orientierung geben – mit Herz und Verstand.
Du arbeitest mit Kindern und Familien in erzieherischen Kontexten. Welche Rolle spielt dabei die Medienkompetenz?
Eine sehr zentrale. Für mich besteht Medienkompetenz aus vier Säulen:
- Medienkritik – Inhalte hinterfragen: Was ist echt? Was ist Werbung? Was sind Fake News
- Medienkunde – Wissen, wie Medien funktionieren (z. B. der Algorithmus, der alles trackt).
- Mediennutzung – bewusster Umgang: Wie viel, wie oft, mit welchem Inhalt?
- Mediengestaltung – kreativ sein, gestalten statt nur konsumieren.
Viele Eltern fühlen sich überfordert, weil ihnen selbst die Medienerfahrung fehlt. Wir dürfen nicht vergessen: Wir sind nicht mit diesen digitalen Welten groß geworden. Manche erinnern sich an eine Zeit mit nur drei Fernsehprogrammen. Ohne Mediatheken, ohne Internet. Umso wichtiger ist es, sich offen zu informieren, z. B. über Seiten wie saferinternet.at oder klicksafe.de.
Ich bestärke Eltern darin, Medienkompetenz nicht nur zu „überwachen“, sondern gemeinsam mit den Kindern zu lernen. Und selbst neugierig zu bleiben. Unsere Haltung macht den Unterschied.
Viele Eltern stehen unter Druck, ständig Grenzen neu auszuhandeln. Welche Erfahrung machst du mit klaren Medienregeln? Und wie können sie gemeinsam sinnvoll vereinbart werden?
Klare Regeln sind kein Zeichen von Kontrolle, sondern von Fürsorge und Struktur. Besonders hilfreich finde ich einen Mediennutzungsvertrag (Mediennutzungsvertrag), den man gemeinsam mit dem Kind gestaltet. Dieser berücksichtigt alle Geräte, Inhalte, Zeiten und sogar Konsequenzen. Dieser Mediennutzungsvertrag kann mit dem Kind mitwachsen.
Was dabei enorm wichtig ist: Kinder beteiligen. Regeln, die gemeinsam besprochen und erklärt werden, haben viel mehr Wirkung als Verbote „von oben“. Sie geben Sicherheit und Raum zur Mitverantwortung. Auch individuelle Unterschiede spielen eine Rolle: Was tut meinem Kind gut? Wie reagiert es auf Bildschirmzeit?
Wir als Eltern sind Vorbilder. Unsere Kinder beobachten uns sehr genau: Reagiere ich sofort, wenn mein Handy piept? Nutze ich mein Handy auch beim Essen? Verwende ich es selbst als Wecker? Eltern dürfen sich ruhig ehrlich fragen: Lebe ich vor, was ich von meinem Kind erwarte?
Was sind gute Wege, Kindern Eigenverantwortung im digitalen Raum zu vermitteln, ohne sie zu überfordern oder dauerhaft zu kontrollieren?
Eigenverantwortung entsteht aus Vertrauen, Begleitung und Bildung. Kinder brauchen Sicherheit, nicht nur technisch, sondern auch emotional. Ich spreche mit ihnen über Themen wie Cybermobbing, Datenschutz, Fake News oder unerwünschte Kontakte. Wichtig ist: Kinder müssen wissen, wo sie Hilfe bekommen können und dass sie immer fragen dürfen.
Gleichzeitig gilt: Nicht alle Kinder sind gleich weit. Manche können gut mit digitalen Reizen umgehen, andere nicht. Viele sind noch nicht in der Lage, sich selbst Grenzen zu setzen. Kindern fehlt die Abschaltkompetenz und die Impulskontrolle. Das ist keine Schwäche, sondern ein entwicklungspsychologischer Fakt.
Darum plädiere ich für eine begleitete Nutzung, etwa indem man gemeinsam ins Gerät schaut, Zeiten vereinbart und sichere Kinderbereiche nutzt. Und auch hier dürfen Eltern sich erinnern: Wir bringen unseren Kindern das Fahrradfahren bei – inklusive Verkehrsregeln, Pausen, Umwege. Warum also nicht auch den Umgang mit der digitalen Welt?
Technische Lösungen wie Kidgonet versprechen mehr Sicherheit im digitalen Alltag. Wie lassen sich solche Tools mit deinen pädagogischen Ansätzen verknüpfen, ohne dass Vertrauen oder Selbstständigkeit der Kinder leiden?
Technische Hilfen können ein guter Begleiter sein, aber niemals die Beziehung ersetzen. Wichtig ist, dass Kinder genau wissen, welche Einstellungen gelten und dass diese gemeinsam erklärt und regelmäßig angepasst werden.
Ein Beispiel: Wenn ich die Chatfunktion in einem Spiel abschalte, erkläre ich meinem Kind auch, warum – z. B. um es vor fremden Nachrichten zu schützen. Ich setze auf Transparenz statt Kontrolle im Verborgenen. Kinder verstehen sehr gut, warum Schutz wichtig ist, wenn man es ihnen erklärt.
Wir müssen unsere Kinder stark machen, statt sie nur zu begrenzen. Dazu gehört auch: Medien gemeinsam entdecken, über Regeln sprechen, sichere Apps auswählen, Privatsphäre-Einstellungen durchgehen. Und natürlich auch: sich selbst schlau machen. Webseiten wie medien-kindersicher.de oder der Spieleratgeber NRW geben konkrete, gut verständliche Informationen.
Denn: Vertrauen braucht Wissen. Nur so entsteht echte Selbstständigkeit im digitalen Raum – begleitet, geschützt und ermutigt.
Aline Fink, Expertin für Mobbingprävention & Medienerziehung, www.heldenstarkekinder.de